Nachhaltige Gebäudehüllen in Stahlleichtbauweise

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Nachhaltiges Bauen
Der Bausektor besitzt auf Grund seines Anteils an Energie- und Stoffströmen eine grosse Verantwortung und ist dringend gefordert, sich mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung auseinanderzusetzen. Auch Industrie- und Gewerbebauten tragen einen erheblichen Teil zum Ressourcenverbrauch während der Erstellung und - sofern sie beheizt und/oder gekühlt werden - auch zum Energieverbrauch während des Betriebs bei. Vor dem Hintergrund der Bedeutung dieser Bauwerke liegen hier grosse Potentiale zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der gebauten Umwelt.
Ein wichtiger Aspekt des nachhaltigen Bauens ist die Betrachtung des gesamten Lebensweges eines Gebäudes (siehe Abbildung). So kommt neben der Nutzungsphase auch dem Lebensende von Gebäuden eine besondere Bedeutung zu. So sind zum Beispiel der Einsatz von recyclingfähigen Bauprodukten und die gute Rückbau- und Wiederverwendbarkeit zentrale Aspekte des ökologischen Bauens. Eigenschaften wie Schadstofffreiheit, grosses Recyclingpotenzial, lange Lebensdauer, leichte Demontierbarkeit und hohe Materialeffizienz sind in dieser Hinsicht Pluspunkte des Stahl- und Stahlleichtbaus.

Stahl ist einer der wichtigsten Baustoffe der Gegenwart. Viele Produkte, Bauteile und Konstruktionen basieren auf der Verwendung von Stahl, um die gewünschte Leistungsfähigkeit zu erreichen. Elemente aus und mit Stahl können bei richtiger Anwendung dazu beitragen, energieeffiziente und nachhaltige Gebäude herzustellen.
Der Stahlleichtbau wird vornehmlich im Industrie- und Gewerbebau bei der Herstellung von Gebäudehüllen eingesetzt. Dabei werden z.B. im Aussenwandbereich sowohl Kassettenkonstruktionen als auch Sandwichelemente zur Ausbildung der luftdichten Gebäudehülle verwendet.

Beitrag der Gebäudehülle zur Nachhaltigkeit eines Gebäudes
Die Gebäudehülle kann durch ihre vielseitigen Funktionen viele Nachhaltigkeitskriterien beeinflussen. So kann durch eine energieeffiziente Gebäudehülle bei gleichzeitiger Optimierung des Materialeinsatzes positiver Einfluss auf die Ökobilanz genommen werden. Bei der Berechnung der Lebenszykluskosten werden neben den reinen Herstellungskosten auch die Instandhaltungs- und Reinigungskosten, die Kosten für Rückbau und Entsorgung sowie die Nutzungskosten des Gebäudes betrachtet. All diese Kostenarten können durch eine optimierte Planung der Gebäudehülle positiv beeinflusst werden. Der thermische Komfort an Arbeitsplätzen bildet eine Grundlage für effizientes und leistungsförderndes Arbeiten. Darüber hinaus beeinflusst die Art, wie der thermische Komfort bereitgestellt wird, den Energieverbrauch von Gebäuden erheblich. Auch hier kann die Planung der Gebäudehülle positiv auf die Bewertung dieses Kriteriums einwirken. Die technische Qualität der Gebäudehülle kann hierbei über die Wärmedurchgangskoeffizienten, die vorhandenen Wärmebrücken, die Luftdichtheit sowie den sommerlichen Wärmeschutz bewertet werden. Eine hohe Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit kann durch die Verminderung und Vermeidung von Abfällen, eine grundlegende Homogenität in der Stoffauswahl sowie eine stoffliche Trennbarkeit von Materialverbindungen sichergestellt werden. Die Verwendung rezyklierfähiger Baustoffe und Bauteile sowie demontagefreundlicher Konstruktionen tragen zu einem hohen Recyclinganteil der Konstruktion und einer sortenreinen Rückbaubarkeit des Gebäudes bei. Die Möglichkeit des Rückbaus oder der Demontage hängen im Wesentlichen von der verwendeten Bauweise ab. Durch den Einsatz von Fertigbauteilen sowie lösbaren Anschlüssen und Schraubenverbindungen erlaubt die Stahlleichtbauweise eine nahezu sortenreine Trennbarkeit einzelner Bauteile. Am Ende des Gebäudezyklus sind eine nahezu zerstörungsfreie Demontage und ein Materialrecycling möglich, wodurch Deponieraum, Rohstoffe und Produktionsenergie eingespart werden können. Das Tragwerk eines Gebäudes kann theoretisch über mehrere Nutzungszyklen der Gebäudehülle hinweg verwendet werden.

Aktive Nutzung von Solarenergie
Bei der aktiven Nutzung von Solarenergie am Gebäude werden technische Komponenten an der Aussenwand oder auf dem Dach installiert, um Strom oder Wärme zu erzeugen. Die Integration in die Gebäudehülle ist von besonderer Wichtigkeit, da dadurch der Verbrauch zusätzlicher Ressourcen (Fläche, Unterkonstruktion) für die Energiegewinnung minimiert wird. Hierfür stehen insbesondere die Photovoltaik (Umwandlung von Solarstrahlung in elektrischen Strom) und Kollektoranlagen (Umwandlung von Solarstrahlung in Wärme) zur Verfügung. Bei den Kollektoren ist zwischen Wärmwasserkollektoren und Luftkollektoren zu unterscheiden. Gerade grosse Hallen bieten häufig günstige Möglichkeiten PV-Anlagen zu integrieren (Dach und Fassade), daher sollte dieser Aspekt schon in der Planung berücksichtigt werden.

Ökobilanz
Methodisch gesehen ist die Ökobilanzierung eine Lebenszyklusbetrachtung, d.h. ein Produkt wird von der Rohstoffgewinnung und Aufbereitung, über die Herstellung und Nutzung bis hin zu Recycling und Entsorgung betrachtet. Dies erfordert bei langlebigen Gütern Szenarien für die in der Zukunft liegenden Teile des Lebenszyklus. Es werden alle mit dem Lebenszyklus verbundenen Umweltbeeinflussungen wie Emissionen in Luft, Wasser und Boden, Ressourcenverbrauch sowie Naturrauminanspruchnahme erfasst, kumuliert und hinsichtlich potentieller Wirkungen zusammengefasst.

Zur Bewertung der ökologischen Qualität von Bauprodukten stehen so genannte Umweltproduktdeklarationen gemäss DIN EN ISO 14025 und DIN EN 15804 zur Verfügung. Sie beschreiben die ökologische Leistungsfähigkeit von Baustoffen und Bauprodukten und werden mit Hilfe des Verfahrens der Ökobilanzierung erstellt. Durch EPDs wird versucht, die Umweltleistung eines Produkts quantitativ darzustellen. Sie beinhalten einen definierten Grunddatensatz, der auf Ökobilanzen nach DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 aufbaut und den potenziellen Beitrag der Baustoffherstellung zu wichtigen Umweltwirkungen wie dem Primärenergiebedarf oder dem Treibhauseffekt darstellt. Umweltproduktdeklarationen bilden somit eine wichtige Grundlage für die ökologische Bewertung von Gebäuden und Bauwerken.

Bauen im und mit dem Bestand
Die energetische Sanierung und das nachhaltige Bauen im Bestand gewinnen im Rahmen der Energie- und Klimaschutzpolitik zunehmend an Bedeutung. Verschiedene Studien belegen, dass eine deutliche Reduktion der Emissionen und des Energieverbrauchs im Gebäudebereich nur durch energetische Sanierungen im Bestand erzielt werden kann.

Nicht nur in den typischen Anwendungsbereichen des Stahlleichtbaus (Industrie- und Gewerbebau) existiert ein grosser Gebäudebestand, der die aktuellen und zukünftigen Normen sowie gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich bauphysikalischer und energetischer Anforderungen vielfach nicht erfüllen kann. Eine Vielzahl von Gebäuden zeigt bauphysikalische Defizite im Hinblick auf Wärmeschutz, Feuchteschutz und Luftdichtheit. Weiter sind Sanierungsmassnahmen bei Wohnungsbauten von starkem Interesse, da sich durch den Einsatz von Lösungen in Stahlleichtbauweise in diesem Bereich neue Entwicklungskorridore und Marktbereiche erschliessen lassen und so weitere Anwendungsmöglichkeiten eröffnet werden. Dabei sind u.a. bauphysikalische Aspekte bei der Planung und Ausführung besonders zu beachten.

Autoren: Dr.-Ing. Dominik Pyschny, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Markus Kuhnhenne
RWTH Aachen University